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Prof. Ruß in der Vertreterversammlung

Anlässlich der 162. Sitzung der Vertreterversammlung konnte die BWVA einen besonderen Referenten gewinnen: Prof. Dr. Jochen Ruß, international renommierter Experte für Finanz- und Aktuarwissenschaften, referierte zum Thema „Aktuelle Herausforderungen der Altersvorsorge in Deutschland“.

V.l.n.r.: Dr. Stefan Klomfass (Geschäftsführer), Dr. Matthias Fabian (stv. Vorsitzender des Verwaltungsrats), Dr. Eva Hemberger (Präsidentin und Vorsitzende des Verwaltungsrats), Prof. Dr. Jochen Ruß (Geschäftsführer Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften, ifa), Prof. Dr. Michael Faist (Vorsitzender der Vertreterversammlung).

Prof. Ruß hob die Bedeutung des lebenslangen Einkommens in der Altersvorsorge hervor und äußerte sich ausführlich zum Zustand und Reformbedarf der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland. Zur doppelten Haltelinie in der Deutschen Rentenversicherung bezog Prof. Ruß klar Stellung: „Das Problem ist nur lösbar, wenn man an allen Stellschrauben dreht (dafür an jeder einzelnen möglichst moderat). Einzelne Stellschrauben für tabu zu erklären, ist nicht zielführend. Neben den offensichtlichen Stellschrauben (Rentenniveau, Beitragssatz, Renteneintrittsalter) stellt auch die kluge Nutzung von Kapitaldeckung eine wichtige Stellschraube dar.“ Er betonte, dass ein schnelles Handeln wichtig sei und empfahl: „Nämlich so schnell wie möglich weg von diesen ganzen Haltelinien und allem was wir sonst so haben. Denn je früher wir an den Stellschrauben drehen, desto weniger stark müssen wir drehen.“

Auf eine Frage der Präsidentin Dr. Eva Hemberger, ob eine Lösung unter Nutzung möglichst vieler zumutbarer Stellschrauben und unter Hinzufügung einer neuen Stellschraube anzustreben sei, nämlich, dass man politisch beschließe, in einem sehr guten Jahr eine gewisse Rücklage aus den gegebenen Erhöhungsmöglichkeiten für kommende schlechte Jahre zu bilden, antwortet Prof. Ruß, dass viel zu wenig an mehrere kleine mögliche Stellschrauben gedacht werde. Man könne beispielsweise sagen, man erlaube Rücklagen und erhöhe den Beitragssatz sofort. Man müsse noch viel mehr um die Ecke denken. Man werde nicht umhinkommen - und damit geht Prof. Ruß auf den Vorschlag der Präsidentin ein - auch aus Beiträgen Rücklagen zu bilden, wenn man nicht wolle, dass es in den 2030er-Jahren richtig bitter werde.

Auch zur Diskussion um eine Erweiterung des Personenkreises in der Deutschen Rentenversicherung äußerte sich Prof. Ruß: „Es wäre natürlich kontraproduktiv, Selbständige, also Beamte auch, aber auch Selbständige, die bereits anderweitig sinnvoll abgesichert sind, in die gesetzliche Rente rüber zu holen.“ Aufgrund der höheren Lebenserwartung wären die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Versorgungswerke für die gesetzliche Rente langfristig eine Belastung. Sein Appell an die Politik lautete unmissverständlich: „Wenn was nicht kaputt ist, dann repariert’s doch nicht!“

Anschließend erörterte Prof. Ruß die Finanzierungseite der Rentenversicherung und analysierte die Kapitaldeckung- und die Umlagefinanzierung. Er betonte die Vorteilhaftigkeit einer angemessenen Mischung aus Kapitaldeckung und Umlage alleine schon aus Gründen der Risikostreuung. „Wer in einem mischfinanzierten System (so wie die BWVA) ist, hat diese wünschenswerte Risikostreuung quasi schon in seiner ersten Säule der Altersvorsorge eingebaut“, so Prof. Ruß.

Zur Person

Prof. Dr. Ruß ist Geschäftsführer des Instituts für Finanz- und Aktuarwissenschaften (ifa). Das ifa ist ein unabhängiges Beratungsunternehmen für aktuarielle und finanzmathematische Fragen im Bereich der Versicherung und Altersvorsorge. Prof. Dr. Ruß ist Autor von mehr als 100 Fachpublikationen. Für seine Forschungsarbeiten wurde er mit zahlreichen Forschungspreisen in Deutschland, Australien und Singapur ausgezeichnet. Er ist ferner apl. Professor an der Universität Ulm, Lehrbeauftragter an der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie Mitglied in zahlreichen Beiräten und Gutachter für verschiedene wissenschaftliche Journals.