Bei der Deutschen Rentenversicherung Bund hält Prof. Werding, so wie viele weitere Experten, erhebliche Reformen für dringend erforderlich. Im Gegensatz dazu sieht er bei den berufsständischen Versorgungswerken keinen Reformbedarf. Diese Aussage ist für die weitere politische Diskussion wichtig und hilfreich, da sie die Position der Präsidentin und der Gremien der BWVA vollinhaltlich widerspiegelt.
Prof. Werding vertrat die Auffassung, dass eine Ausweitung der Versicherungspflicht auf bereits gut abgesicherte Freiberufler und Selbständige keinen Sinn mache. Auch zu der in der Öffentlichkeit immer wieder diskutierten Frage, ob neue Mitglieder der gesetzlichen Rentenversicherung Vorteile bringen würden, bezog er klar Stellung: „Nein“. Er betonte, dass die Mitglieder der berufsständischen Versorgungswerke niemandem in der gesetzlichen Rentenversicherung etwas vorenthalten würden: „Es ist nicht unsolidarisch, da nicht mitzumachen und es ist gut, wenn man besser abgesichert ist“. Vielmehr würden sich die Freiberufler an der Finanzierung der Bundesmittel beteiligen, mit denen nicht versicherungsartige, nicht beitragsgedeckte Leistungen ausgeglichen würden.
In seinem Vortrag bekräftigte der Referent, dass er bei den berufsständischen Versorgungswerken keinen Reformbedarf sehe. Er betonte: „Sie haben das, was wir im gesetzlichen System oder für die gesetzlich Abgesicherten dringend bräuchten, schon von vornherein mit drin: mehr Kapitaldeckung“. Im Ergebnis gäbe es weder Grund noch Anlass, die berufsständischen Versorgungswerke in die Reformdiskussion einzubeziehen. Sie würden nicht in die aktuelle Reform des Rentensystems gehören. Dies habe der Sachverständigenrat in seinen Äußerungen auch nie gemeint. Man stoße auf rechtliche, ökonomische und im Grunde auch auf ethische Probleme, wenn man in den Strudel der ungelösten Probleme im gesetzlichen Rentensystem andere einbeziehe, die diese Probleme nicht verursacht hätten.
Auch zur Diskussion um die Festschreibung des Rentenniveaus in der gesetzlichen Rentenversicherung nahm Prof. Werding Stellung. Er erläuterte, dass dies die Jungen viel zu sehr belasten würde. Wenn man schärfer am Nachhaltigkeitsfaktor drehe, dann gehe das sehr stark zu Lasten des allgemeinen Rentenniveaus und werde für alle spürbar.
Frau Dr. Hemberger, Präsidentin der Versorgungsanstalt, betonte in ihrem Statement, der Sachverständigenrat müsse deutlicher und klarer hervorheben, was eine Koppelung des Renteneintrittsalters an die steigende Lebenserwartung mit der „2:1-Regel“ bedeute, nämlich alle 20 Jahre das Renteneintrittsalter um ein Jahr anzuheben. Dem pflichtete Prof. Werding mit einem Hinweis zur Regelaltersgrenze ausdrücklich bei: „Ich tue was ich kann. In wie viele Mikrofone ich schon gesagt habe: ein halbes Jahr alle 10 Jahre!“. Auch zur weiteren Nachfrage von Frau Dr. Hemberger, dass die Äußerungen des Sachverständigenrates die berufsständischen Versorgungswerke nicht beträfen, stellte Prof. Werding nochmals ausdrücklich klar, dass im Gutachten sehr deutlich stehe, dass der Sachverständigenrat nur über die gesetzliche Rentenversicherung spreche. Berufsständische Versorgungswerke passen wegen ihrer Situation nicht in die aktuelle Reform des Rentensystems, denn sie haben die Anpassung hinter sich. Er kenne auch niemanden, der das ernsthaft ausbuchstabiere. „Ich will fast sagen, es wäre sogar ein ethisches Problem, jetzt in den Strudel ungelöster Probleme im gesetzlichen Rentensystem andere einzubeziehen, die dieses Problem nicht verursacht haben.“
Er sei aber auch der Meinung der Präsidentin, dass man die Aufmerksamkeit darauf stärker lenken müsse. Auch er selbst habe öffentlich immer wieder betont: „Wir haben Systeme, bei denen gibt es die Probleme der gesetzlichen Rentenversicherung nicht. Lasst die bitte in Ruhe!“.
Zur Person
Prof. Dr. Werding ist Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Ruhr-Universität Bochum. Seit September 2022 ist er Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die öffentlichen Finanzen, ferner Alterssicherung, Familienpolitik, Grundsicherung und weitere Zweige der Sozialpolitik sowie Bevölkerungsökonomie und Arbeitsmarktpolitik. Er ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates für Familienfragen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Er war Mitglied im Arbeitskreis Finanzwissenschaft des Bundesministeriums der Finanzen, im Wissenschaftlichen Gutachtergremium für den Vierten Armuts- und Reichtumsbericht beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie im Expertenrat Demografie des Bundesministeriums des Innern und für Heimat.